Der coro per resistencia begeisterte beim Benefizkonzert in der Nürtinger Lutherkirche

Gut eingespieltes Team: Chorleiter Fabian Wöhrle und der coro per resistencia Foto: Kern
Gut eingespieltes Team: Chorleiter Fabian Wöhrle und der coro per resistencia Foto: Kern

NÜRTINGEN. Über 200 Besucherinnen und Besucher kamen zum Benefizkonzert des coro per resistencia mit Weihnachtsliedern aus aller Welt, das letzten Samstag in der Lutherkirche stattfand. Thema und Anlass waren ein Magnet: Carols zugunsten des Kindertagesheims Casa del Sol, das dem Sozialzentrum in Margarita Belén angegliedert ist, einem Dorf in der Nähe der Stadt Resistencia in der Provinz Chaco im Norden Argentiniens, einer der ärmsten Regionen des Landes. In einem kontrast- und abwechslungsreichen Programm unter der Leitung von Fabian Wöhrle wurde die froh machende Botschaft von der Geburt des göttlichen Kindes besungen – ein großer Spannungsbogen im Liedgut unterschiedlicher Völker in zeitgenössischen Chorsätzen.

Abwechslungsreiche Reise durch die Weihnachtsliederlandschaft

Die Reise durch die Weihnachtsliederlandschaft begann in Schweden, ging über Frankreich, Russland, Kanada, Venezuela, Großbritannien, Guinea, USA, Slowakei, Korea und endete in Peru. Geografisch ein Zickzackkurs, inhaltlich jedoch stringent zusammengestellt: vom strahlenden Weihnachten („Jul, jul strålande jul“), an dem das göttliche Kind geboren wird („Il est né, le divin Enfant“), in der Heiligen Nacht, in der Gott Mensch geworden ist („Eta notsch swjataja“), während des kalten Wintermonds („Huron Carol“), in dem am Himmel der Stern zu sehen ist, Musik erklingt und die Hirten sich beeilen sollen, um das Kind anzubeten („Corramos, corramos“), mitten im kalten Winter, und der Mensch sich fragt, was er Gott, der in Menschengestalt geboren sei, geben könnte („In the bleak midwinter“), in dem ein Stern den Weg dorthin weist, wo Christ geboren ist („Kiris Bara Bari“), in der die Hirten aufstehen sollen „Rise up shepherd“, in der ein Wiegenlied erklingt („Búvaj, Diet’a krásne“), zu klangvollen Weihnachtsglocken („Tan il dschong“) bis hin zu den Drei Königen, Gaspar, Melchior und Baltasar, die am Ende des Abends unter „Burum, burum, bum, bum, Ha!“ Geschenke bringen („Festejo de Navidad“).

Fabian Wöhrle, seit 2015 Leiter des coro per resistencia, hatte die Chorsätze nicht nur inhaltlich stimmig aneinandergefügt, sondern – im Programm durch Sternchen markiert – daraus eine groß angelegte sechssätzige Gesamtkomposition gemacht. Sie war geprägt von den unterschiedlichen Mentalitäten und Stimmungsgehalten der Lieder. Der zweite, vierte und fünfte Satz waren jeweils rein instrumental in der Besetzung für Saxofon (Anne Siebrasse, Sopran- und Altsaxofon) und Orgel (Fabian Wöhrle). Meditative Phasen.

Klangprächtig musizierten Siebrasse und Wöhrle zwei Sätze aus dem Concerto in c-Moll für Oboe, Streicher und Basso continuo von Benedetto Marcello (1686–1739) in einer Fassung für Saxofon und Orgel, die Siebrasse in leuchtender, klarer Farbigkeit ausspielte. Sie brachten die Himmelshelligkeit in „Brightness“ des amerikanischen Komponisten und Organisten Carson Cooman (geboren 1982) zum Strahlen, Freude und Fröhlichkeit in der „Humoreske“ aus dem Duo für Altsaxofon und Orgel (1994) des kanadischen Organisten und Komponisten Denis Bédard (geboren 1950) zum Ausdruck. Sensible Registrierung, lebendiges, ausdrucksvolles Spiel, Herausarbeiten der jeweiligen Struktur durch Siebrasse und Wöhrle. Kleine Kostbarkeiten.

Ein weiterer bereichernder Kunstgriff waren die kleinen Saxofonzwischenspiele, miniaturartige Kompositionen; Wöhrle hat sie für dieses Konzert geschrieben. Sie nahmen die Stimmung des je vorangehenden Liedes auf und leiteten zum nächsten über – musikalische Pausen für die Zuhörenden.

Der coro per resistencia, der seine Gründung einer Konzertreihe des Nürtinger Max-Planck-Gymnasiums zugunsten des Sozialzentrums Margarita Belén verdankt, trat 1981 zum ersten Mal auf. Er hat sich inzwischen im Nürtinger Konzertleben einen Namen gemacht. Ihm gelang wieder die Interpretation des je Besonderen und Charakteristischen der Weihnachtslieder. Stimmlich präsent, homogen im Klang, begeisterte er die Besucher. Die schmale Besetzung der Männerstimmen, sechs Bässe, zwei Tenöre, verstärkt durch eine Tenorette, tat dem Gesamtklang des Chores keinerlei Abbruch.

Stimmungsgehalte sensibel zum Ausdruck gebracht

Der zeigte gleich mit dem ersten Chor a cappella – „Jul, jul, strålande jul“ –, wie sensibel er Stimmungsgehalte zum Ausdruck bringen kann. Wohltuend zurückgenommen und ohne Pathos das „Eta notsch swjataja“, ein ruhig-ausschwingender Chorsatz mit einem schwebenden Sopranpart. Rhythmische Präsenz bei „Corramos, corramos“ oder bei „Kiris Bara Bari“. Den romantischen, subjektbezogenen Zug „In the bleak midwinter“ arbeitete der Chor deutlich heraus. Swingend das afroamerikanische Spiritual „Rise up shepherd“ und getragen das „Búvaj, Diet’a krásne“ mit seiner eingängigen Weihnachtswiegenliedmelodie zu Beginn des sechsten, letzten Satzes des Konzerts.

Dieser sollte sich nicht zu einem bombastischen Schluss steigern, sondern „abebben“ (Wöhrle), dem Ausschwingen von Glocken vergleichbar, wie sie sehr plastisch im präzise artikulierten „Tan il dschong“ gestaltet wurden. In lichtem C-Dur schloss das nachhaltige Konzert mit „Festejo de Navidad“, dessen temperamentvoll gesungenes „Burum, burum, bum bum. Ha!“ noch mindestens bis zum Dreikönigstag nachhallen wird.

Reicher, verdienter Beifall für alle Ausführenden. Als sinnreiche Dreingabe das Lied von den eilenden Hirten „Corramos, corramos!“. Eine kleine Anmerkung noch: Um Inhalt und Gehalt der Carols tiefer zu verstehen, wäre die deutsche Übertragung der Texte im Programmblatt erhellend gewesen.

Helmuth Kern

NÜRTINGER ZEITUNG v. 10.12.2019

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