Ein Konzert zum Nachdenken
Der coro per resistencia verlieh in einem eindrucksvollen Benefizkonzert der Suche nach Frieden Ausdruck
NÜRTINGEN. „Platz für Frieden“ lautete der Titel des Konzertprogramms, mit dem der Nürtinger Chor „coro per resistencia“ am Sonntagabend den Saal der Rudolf-Steiner-Schule füllte. Ein Programm, das nicht nur musikalisch anspruchsvoll war, sondern auch inhaltlich viel zu sagen hatte. Im Zentrum von wütenden Protestchören und dem sehnsuchtsvollen Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit standen zentrale Plätze, die in der vergangenen Zeit so häufig zum Synonym für Widerstand geworden sind – angefangen beim Tian’anmen über den Tahrir, Taksim und zuletzt Maidan.
So war es konsequent, dass die Erlöse des Konzerts in der Steiner-Schule (eine Woche zuvor sang der Chor in Stuttgart-Rohr) an das Netzwerk Flüchtlingsarbeit Nürtingen gingen. Julia Rieger dankte zum Auftakt dem coro per resistencia für die Unterstützung des Netzwerkes, mit dem Hinweis: „Es gibt viele Gründe und Konflikte, die Menschen dazu bringen, ihr Land zu verlassen und sich auf den Weg zu machen.“ Verwendet würden die Spenden für Sprachförderung, Alphabetisierungskurse, Rechtsbeistand, Begleitung im Alltag oder auch Nachbarschaftsfeste in der Seegrasspinnerei.
Die Konflikte in der Welt auf sehr unterschiedliche Weise beleuchtet
Im a cappella gesungenen Konzertprogramm wurden diese Konflikte auf sehr unterschiedliche Weise beleuchtet und unter der Leitung von Felix Schuler-Meybier hervorragend herausgearbeitet. Auf ein im präzisen Staccato herausgerufenes „Immer mehr Land“ folgte im weichen Legato das Kyrie aus der „Missa da pacem“ von Josquin Desprez, das zunehmend an Intensität gewann. Bei Hanns Eislers „Auf den Straßen zu singen“ wechselte der beschwingte Marsch der Arbeiter „Auf Ihr Brüder! Vorwärts Brüder!“ mit einem ruhigeren Rückblick bis hin zum gewaltigen Finale. Im vierstimmigen Frauenchorsatz „Tian an men“ in italienischer Sprache durchlebt eine Zuschauerin ein emotionales Auf und Ab bei den Fernsehbildern zum Studentenmassaker. Auch diese sehr anspruchsvollen Harmonien meisterten die Frauen des coro per resistencia, wobei die kraftvollen Altstimmen das Fundament legten.
Mit dem auf der Lyrik von Native Americans basierenden „Earth Call“ der schwedischen Komponistin Karin Höghielm wagte sich der Chor auch an eine deutsche Erstaufführung. Die sehr interessante Komposition im Stile einer Meditation stellte harmonisch und intonatorisch höchste Anforderungen.
Zu den beeindruckendsten Vorträgen des Abends zählte „Warning to the Rich“ von Thomas Jennefelt, eine Vertonung des biblischen Briefes des Jakobus. Zum Summen der Männer- und Altstimmen flüsterten die Soprane zunächst den Text zur Vergänglichkeit des Reichtums bis hin zum wütenden Aufschrei. Eindrucksvoll gaben die Dissonanzen die wütende Stimmung wieder, gefolgt von einem stimmlich brillanten wie auch ausdrucksstark vorgetragenen Basssolo. Sehr gelungen klang das Stück im zart gesummten Piano der Bässe aus. Auch alle weiteren Werke des Abends meisterte der Chor mit rundem, ausgewogenem Chorklang und großer Homogenität. Äußerst konzentriert folgten die Sängerinnen und Sänger dem präzisen Dirigat von Felix Schuler-Meybier. So wurden die häufigen Stimmungswechsel dynamisch nuanciert umgesetzt und der Chor wahrte bis zum letzten Ton seine Spannung.
Hervorragend ergänzt wurden die Chorwerke durch von Jurate Braginaite eindringlich vorgetragene Texte internationaler Autorinnen und Autoren, zum Beispiel von DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer oder den Friedensnobelpreisträgerinnen Schirin Ebadi (Iran) und Rigoberta Menchú Tum (Guatemala). Und auch Percussionist Ákos Nagy konnte mit dem mitreißenden Solo auf der Snare Drum „A minute of news“ großen Beifall ernten und verzauberte das Publikum bei „Midnight star“ auf dem Vibrafon.
Am Ende des 90-minütigen Konzerts forderten die Zuschauer im gut besetzten Saal der Rudolf-Steiner-Schule nachdrücklich eine Zugabe. Diesem Wunsch kam der coro per resistencia gerne mit einer Wiederholung des Brahmsliedes „Beherzigung“ nach – ein gelungener Abschluss eines Konzertes, das zum Nachdenken anregte.